Die 10 Gebote

Rudolf Steiner (1): >>... Diese Zehn Gebote werden heute eigentlich von der Mehrzahl der Menschen so genommen, als wenn es Gesetzesbestimmungen wären so, wie auch von irgendeinem modernen Staate Gesetze gegeben werden. Man wird ja zugeben, daß diese Gesetze, die in den Zehn Geboten enthalten sind, umfassender, allgemeiner sind und daß sie unabhängig von diesem Ort und dieser Zeit gelten. Man wird sie also für allgemeinere Gesetze halten, aber man hat dabei im Bewußtsein, daß sie doch nur die Wirkung oder dasselbe Ziel haben sollen wie die Gesetze, die heute von einer Gesetzgebung gegeben werden. Dadurch aber verkennt man den eigentlichen Lebensnerv, der in diesen Zehn Geboten lebt. Und wie man ihn verkannt hat, zeigt sich eben darin, daß alle Übersetzungen, die der heutigen Menschheit zu­gänglich sind, schon unbewußt eine wesentlich oberflächliche, gar nicht in den Geist dieser Zehn Gebote eingehende Erklärung der Sache in sich aufgenommen haben.    ...

    Wenn man sie sinngemäß übersetzt so, daß man nicht das Lexikon aufschlägt und Wort für Wort übersetzt - wobei natürlich nur das Allerschlechteste herauskommen kann, denn es kommt auf den Wortwert und den ganzen Seelenwert an, den die Sache zu seiner Zeit hatte -, wenn man also den Sinn herausnimmt, dann würden sich diese Zehn Gebote so darstellen:

Erstes Gebot. Ich bin das ewig Göttliche, das du in dir empfindest. Ich habe dich aus dem Lande Ägypten geführt, wo du nicht Mir in dir folgen konntest. Fortan sollst du andere Götter nicht über Mich stellen. Du sollst nicht als höhere Götter anerkennen, was dir eine Abbildung zeigt von etwas, das oben am Himmel scheint, das aus der Erde heraus oder zwischen Himmel und Erde wirkt. Du sollst nicht anbeten, was von alledem unter dem Göttlichen in dir ist. Denn Ich bin das Ewige in dir, das hineinwirkt in den Leib und daher auf die kommenden Geschlechter wirkt. Ich bin ein fortwirkendes Göttliches. Wenn du Mich nicht in dir erkennst, werde Ich als dein Göttliches verschwinden bei Kindern und Enkeln und Urenkeln, und deren Leib wird veröden. Wenn du Mich in dir erkennst, werde Ich bis ins tausendste Geschlecht als Du fortleben, und die Leiber deines Volkes werden gedeihen.

Zweites Gebot. Du sollst nicht im Irrtum von Mir in dir reden; denn jeder Irrtum über das Ich in dir wird deinen Leib verderben.

Drittes Gebot. Du sollst Werktag und Feiertag scheiden, auf daß dein Dasein Bild Meines Daseins werde. Denn was als Ich in dir lebt, hat in sechs Tagen die Welt gebildet und lebte in sich am siebenten

Tage. Also soll dein Tun und deines Sohnes Tun und deiner Tochter Tun und deiner Knechte Tun und deines Viehes Tun und dessen, was sonst bei dir ist, nur sechs Tage dem Äußeren zugewandt sein; am siebenten Tage aber soll dein Blick Mich in dir suchen.

Viertes Gebot. Wirke fort im Sinne deines Vaters und deiner Mutter, damit dir als Besitztum verbleibt das Eigentum, das sie sich durch die Kraft erworben haben, die Ich in ihnen gebildet habe.

Fünftes Gebot. Morde nicht.

Sechstes Gebot. Brich nicht die Ehe.

Siebentes Gebot. Stehle nicht.

Achtes Gebot. Setze den Wert deines Mitmenschen nicht herab, indem du Unwahres von ihm sagst.

Neuntes Gebot. Blicke nicht mißgönnend auf das, was dein Mitmensch besitzt als Eigentum.

Zehntes Gebot. Blicke nicht mißgönnend auf das Weib deines Mitmenschen und auch nicht auf die Gehilfen und die anderen Wesen, durch die er sein Fortkommen findet.

Die ursprüngliche, tiefere Auffassung der an Moses und sein Volk gerichteten Zehn Gebote legt R.Steiner klar dar:

1.Gebot:

Steiner (2):

Das alles muß man bedenken, sonst bekommt man keinen richtigen Begriff, keine richtige Vorstellung gegenüber diesem ersten Gebot. Es wird dem ... Volke darin aufgetragen: Stelle dir ja nicht deinen Gott vor unter einem falschen Bilde. Wenn ihr vor dem goldenen Kalb hinkniet, dann fließt eine falsche Vorstellung vom Gotte in euch ein, und dies falsche Gottesbild erzeugt, indem es mit dem Blute durch die Generationen hinunterzieht, die fortwirkende Sünde, die dann in Krankheit übergeht. «Wenn du Mich nicht in dir erkennst, werde Ich als dein Göttliches verschwinden bei Kindern und Enkeln und Urenkeln, und deren Leiber werden veröden.» Du erzeugst lebensfähige Kinder, Enkel und Urenkel, wenn du die richtige Vorstellung des Göttlichen aufnimmst; sonst aber stirbt das aus, was vom Blute abhängt. Indem du in deinem Ich Mich, den Urquell des Ich, richtig erkennst, geht eine Kraft über von Geschlecht zu Geschlecht, denn ein fortwirkendes Göttliches bin Ich. Aus den Leibern verschwinde Ich, wenn Ich in falscher Vorstellung in euch lebe. Das ist wiederum eine ganz okkult medizinische Anweisung. «Wenn du Mich in dir erkennst, werde Ich bis ins tausendste Glied fortleben, und die Leiber deines Volkes werden geläutert und deshalb gedeihen.» So wird das Physische gedeihen, im echt okkulten Sinne, wenn der Mensch an die richtige Vorstellung des Geistigen anknüpft. Damit zieht zugleich ein Hauch menschlicher Freiheit ein in die Menschenentwickelung: gerade auf die Spitze sozusagen des fortwirkenden Ich wird die Menschheit gestellt, und dann angeknüpft dieses Ich an das Göttliche. Das läßt sich mit keiner anderen Gesetzgebung vergleichen, und es ist ein reiner Dilettantismus, wenn man diese Zehn Gebote zusammenstellt mit anderen Gesetzgebungen und einseitig erklärt, weil sie sich äußerlich in Worten ähneln, sie seien dasselbe. Die Gesetzgebung der Zehn Gebote vom Sinai ist einzigartig und läßt sich nur aus der einzigartigen Sendung des Moses erklären. Und wie bei diesem ersten Gebot, so ist es bei allen anderen Geboten, wenn wir sie richtig übersetzen. Es wird uns aus allen der ganze Geist der Sendung des Moses klar, in Bezug auf den Ich-Impuls, der jetzt in die Menschheit eingegossen werden soll.

weiters sagt Steiner zur Bedeutung des 1. Gebots (1):

«Ich bin das ewig Göttliche, das du in dir empfindest. Ich habe dich aus dem Lande Ägypten geführt, wo du nicht Mir in dir folgen konntest. Fortan sollst du andere Götter nicht über Mich stellen. Du sollst nicht als höhere Götter anerkennen, was dir eine Abbildung zeigt von etwas, das oben am Himmel scheint, das aus der Erde heraus oder zwischen Himmel und Erde wirkt. Du sollst nicht anbeten, was von alledem unter dem Göttlichen in dir ist. Denn Ich bin das Ewige in dir, das hineinwirkt in den Leib und daher auf die kommenden Geschlechter wirkt. Ich bin ein fortwirkendes Göttliches, aber - nicht: <Ich bin ein eifriger Gott>, denn das sagt hier nichts. Wenn du Mich nicht als dein Göttliches erkennst, werde Ich als dein Ich verschwinden bei Kindern, Enkeln und Urenkeln, und ihr Leib wird veröden. Wenn du Mich in dir erkennst, werde Ich bis ins tausend­ste Geschlecht als Du fortleben, und die Leiber deines Volkes werden gedeihen.»

Da sehen wir, daß nicht bloß ein Abstraktes gemeint ist, sondern ein lebendig Wirksames, das bis in die Volksgesundheit hineinwirken soll. Zurückgeführt wird der äußere Gesundheitsprozeß auf das Geistige, das darin liegt und das stufenweise der Menschheit verkündet wird.

Du sollst nur einem Herrn dienen.

Schließe aus, dem Handel, deiner Arbeit und falschen Missionen zu dienen -. Sei Händler, Arbeiter, Missionar des Allmächtigen Gottes!

Die Absicht des Allmächtigen Gottes soll unser Auftrag sein.

Darauf wird im besonderen noch hingedeutet im zweiten Gebot, wo ausdrücklich gesagt wird: Du sollst dir keine falschen Vorstellungen von meinem Namen, von dem, was als Ich in dir lebt, machen; denn eine richtige Vorstellung macht dich gesund und lebenskräftig und ist dir zum Heil, eine falsche Vorstellung aber läßt deinen Leib veröden! - So wurde jeder Angehörige des mosaischen Volkes im besonderen daraufhingewiesen, daß jedesmal, wenn der Gottes-Name ausgesprochen wird, er sich dieses eine Warnung sein lassen soll: Ich soll den Namen dessen, was in mir eingezogen ist, so wie es in mir lebt, erkennen, denn das ist Anregung zur Gesundung.

«Du sollst nicht im Irrtum von Mir in dir reden; denn jeder Irrtum über das Ich in dir wird deinen Leib verderben!»

Steiner (2): Da haben Sie direkt die Notwendigkeit des geistig richtigen Gedankens hingestellt, der der eigentliche Schöpfer des richtigen gesunden Leibes ist. Irrtum über das Walten des höchsten Göttlichen in sich erzeugt Siechtum im Leibe im vollsten Maße. Es ist außerordentlich wichtig, einzusehen, daß, in diesem zweiten Gebote gesagt wird: «Der Irrtum über das Ich in dir wird deinen Leib verderben.» Es gibt ein späteres Sprichwort: In einem schönen Körper wohnt eine schöne Seele. - Die moderne materielle Menschheit legt sich das zuwei­len so aus: Also pflege deinen Körper wohl, dann ist auch eine schöne Seele darin. - Es ist aber so gemeint, daß eine Seele, die in sich kraftvoll ist, dadurch, daß sie aus früheren Inkarnationen etwas mitbringt, was sie durch eine Durchgeistigung der Seele sich erarbeitet hat, der richtige Schöpfer des Leibes ist und einen gesunden, kraft­vollen Körper erzeugt. Nicht, daß der Körper die Seele macht; ge­nau das Gegenteil davon ist gemeint. Da sehen wir, daß es manch­mal gar nicht so sehr darauf ankommt, einen genauen Wortlaut an­zuführen. Eine jede Zeit macht sich, nach den Impulsen, die in ihr leben, eine andere Vorstellung über den gleichen Wortlaut. Je nachdem die Zeit empfindet oder gesinnt ist, wird er so oder so ausgelegt. Damit hat man nicht immer das Richtige erwiesen, daß man auf einen gleichen Wortlaut hinweist, sondern erst dadurch, daß man in die Seele der Zeit eindringt und durch sie hindurch dieses oder jenes Wort zu verstehen sucht.

Und dann im dritten Gebot der deutliche strenge Hinweis darauf, wie der Mensch, wenn er ein wirkendes, ein schaffendes Ich ist, ein wirklicher Mikrokosmos ist, gleich wie der Jahve-Gott sechs Tage geschaffen hat und am siebenten Tage ruhte und damit das Urbild hinstellte, das der Mensch in seinem Schaffen nachbilden soll. Es wird im dritten Gebot ausdrücklich darauf hingewiesen: Du Mensch, du sollst, indem du ein richtiges Ich bist, auch ein Abbild deines höchsten Gottes sein, und in deinen Taten so wirken wie dein Gott! -Es ist also die Aufforderung, dem Gotte, der sich dem Moses im brennenden Dornbusch geoffenbart hat, immer ähnlicher zu werden.«Du sollst Werktag und Feiertag scheiden, auf daß dein Dasein Bild Meines Daseins werde. Denn was als Ich in dir lebt, hat in sechs Tagen die Welt gebildet und lebte in sich am siebenten Tage. Also soll dein Tun und deines Sohnes Tun und deiner Tochter Tun und deiner Knechte Tun und deines Viehes Tun und dessen, was sonst bei dir ist, nur sechs Tage dem Äußeren zugewandt sein; am sieben­ten Tage aber soll dein Blick Mich in dir suchen.>>

Steiner (2):  ...

<<Nicht in äußerlichen Bildern muß das Göttliche im Menschen Abbild werden des Ur-Ich, sondern in dem, was dieses Ich tut,muß es Abbild werden des Ur-Ich, und wie das Ur-Ich geschaffen hat das Werk der Weltenschöpfung in sechs Weltentagen und am siebenten Tage in sich ruhte, so soll auch der Mensch Werktag und Feiertag scheiden, sechs Tage schaffen und am siebenten Tage das Göttliche mit Hilfe des Ich suchen. So sehen wir, in welch wunder­barer Weise in diesem dritten Gebot das Abbild des Ur-Ich in uns als das zu Gott führende hingestellt wird....>>

Steiner (1):

...immer ist im Hintergrund dabei der Gedanke, daß es die fortwirkende Kraft ist, die als Jahve oder Jehova wirkt. Es wird im vierten Gebote der Mensch hinausgeleitet von den Beziehungen zu dem Übersinnlichen zu dem äußerlich Sinnlichen. Es wird auf etwas sehr Wichtiges in diesem vierten Gebot hingewiesen, und das muß verstanden werden. Da, wo der Mensch als ein selbstbewußtes Ich ins Dasein tritt, da tritt er so in dieses Dasein ein, daß er äußere Mittel braucht, um dieses Dasein ins Werk zu setzen. Er entwickelt das, was man einzelnes, individuelles Eigentum und Besitztum nennt. Wenn wir zurückgingen in die alte ägyptische Zeit, würden wir bei der großen Masse des Volkes ein solches individuelles Be­sitztum noch nicht finden. Wir würden finden, daß die, welche über das Besitztum zu entscheiden haben, auch die Priester-Weisen sind. Jetzt aber, wo jeder ein individuelles Ich entwickeln soll, wird er in die Notwendigkeit versetzt, in das Äußere einzugreifen, etwas Eigenes um sich herum zu haben, um sein Ich in der Außenwelt darzustellen. Es wird deshalb im vierten Gebot darauf hingewiesen, daß derjenige, der das individuelle Ich in sich wirken läßt, Besitztum erwirbt, daß aber dieses Besitztum an die Kraft des Ichs gebunden bleibt, das fort­lebt im ... Volke und von Vater auf Sohn und Enkel sich fort­pflanzen soll, und daß das Eigentum, das der Vater gehabt hat, nicht unter der starken Kraft des Ichs stände, wenn der Sohn das Werk seines Vaters nicht fortführen würde unter der Kraft des Vaters. Es wird daher gesagt: Lasse das Ich in dir so stark werden, daß es hinunter dauert und daß der Sohn mit den Mitteln, die er vom Vater ererbt, auch die Mittel zum äußeren Einleben in die äußere Umgebung erhalten kann.

So bewußt wird der Konservatismus des Eigentumsgeistes in dieser Zeit dem Volke des Moses gegeben. Es liegt auch in den folgenden Gesetzen noch durchaus das Bewußtsein zugrunde, daß okkulte Kräfte hinter allem stehen, was in der Welt geschieht. Während man heute nur ganz äußerlich abstrakt das Vererbungstecht ansieht, waren sich diejenigen, die das vierte Gebot richtig verstanden haben, dessen be­wußt, daß geistige Kräfte sich fortpflanzen mit dem Eigentum von Generation zu Generation, hinüberleben von einem Geschlecht zum anderen, daß sie die Ich-Kraft erhöhen und daß dadurch der Ich-Kraft der einzelnen Individualität etwas zufließt, was ihr zugeführt wird von der Ich-Kraft des Vaters. Man kann das vierte Gebot nicht grotesker übersetzen, als es gewöhnlich geschieht; denn der Sinn ist der folgende: Es soll in dir die starke Ich-Kraft entwickelt werden, die über dich hinauslebt, und das soll übergehen auf den Sohn, damit seiner Ich-Kraft etwas zuwachse, was als das Eigentum seiner Vorfah­ren in ihm fortwirken kann.

«Wirke fort im Sinne deines Vaters und deiner Mutter, damit dir als Besitztum verbleibt das Eigentum, das sie sich durch die Kraft erworben haben, die Ich in ihnen gebildet habe.»

Steiner (2):

<<Hier haben wir nicht das ganz nichtsagende «Ehre Vater und Mutter, auf daß es dir wohlergehe und du lange lebest auf Erden.» Es handelt sich darum, daß er nun auch wirklich nach außen dasjenige tut, was die Taten des Ich fortpflanzt, nachdem der Mensch in sich geistig und, wie wir es fassen konnten, sozusagen auch medizinisch das Göttliche gegründet hat, das in ihm als Tropfen wirkt. Dies vier­te Gebot ist sogar ein praktisches Gebot. Es sagt: Sieh hin als Nach­komme auf deine Vorfahren; wenn du als Nachkomme im Gegen­satz zu ihnen stehst, kann niemals eine ruhig gedeihlich fortlaufende Entwickelung stattfinden. Wie sich innerlich das Ich durch das Blut überträgt, so muß auch dasjenige, was äußerlich als Besitztum durch das Ich erarbeitet ist, erhalten bleiben. Das starke Ich, das sich gebil­det hat, das fließt auf der einen Seite durch das Blut hinunter durch die Generationen; auf der anderen Seite aber soll dadurch, daß man das Ich stark macht, auch auf die äußere Welt gewirkt werden. Es soll bewahrt werden, was ein starkes Ich begründet hat; es soll nicht fortwährend die Entwickelung unterbrochen werden. Wirke fort im Sinne deines Vaters, damit auch äußerlich zusammenbleibt, wasdein Vater und deine Mutter durch die Arbeit ihres Ich geschaffen haben. - Das ist es, was Ihnen zeigt, wie nun auch die äußeren Verhaltungsmaßregeln gegeben werden, damit nicht von außen zerstört werde, was, eine neue Kultur schaffend, als Innenimpuls gegeben wird.<<

Steiner (1):

Und weiter liegt allen folgenden Gesetzen zugrunde, daß die Ich-Kraft des Menschen erhöht wird durch die richtige Anwendung des Ich-Impulses, daß sie aber durch seine falsche Anwendung zugrunde gerichtet wird. Das fünfte Gebot sagt etwas, was eigentlich im richtigen Sinne nur aus der Geheimwissenschaft heraus zu verstehen ist. Alles, was mit Töten, mit der Vernichtung fremden Lebens zusammenhängt, schwächt die selbstbewußte Ich-Kraft im Menschen. ... Was als Göttliches im Menschen ist, das wird vernichtet durch jedes Töten. Daher spielt dieses Gesetz nicht nur auf etwas Abstraktes an, sondern auch auf etwas, wodurch dem Menschen in seinem Ich-Impuls okkulte Kraft zuströmt, wenn er Leben erhöht, Leben gedeihen macht, Leben nicht vernichtet. ...

Steiner (2):

Fünftes Gebot: Morde nicht.

Sechstes Gebot: Brich nicht die Ehe.

Siebentes Gebot: Stiehl nicht.

Als drei Gebote auseinandergelegt das eine Gebot: Sieh in deinem Nebenmenschen ebenso ein Ich wie in dir selbst! -

Damit war in der Tat das ... Volk geistig aus dem Lande Ägypten geführt, dadurch, daß das Ich auch erkannt werden soll im anderen Menschen durch die Wertschätzung des anderen Ich ...

Steiner (1):

Das wird als ein Ideal für die Erhöhung der individuellen Ich-Kraft hin­gestellt, und nur auf weniger stark betonten Gebieten wird dasselbe gefordert im sechsten und siebenten Gebot. Wenn unsere Gelehrten heute die Zehn Gebote nehmen, sie lexiko­graphisch übersetzen und sie vergleichen mit andern Gesetzen, zum Beispiel mit dem Gesetz des Hammurabi, so heißt das eben, daß sie keine Ahnung haben von dem Impuls, auf den es ankommt. Nicht auf das «Du sollst nicht stehlen!» oder «Du sollst diese oder jene Feiertage heiligen!» kommt es an, sondern darauf, welcher Geist durch diese Zehn Gebote hindurchströmt und wie dieser Geist mit dem Geiste dieses Volkes, aus dem heraus das Christentum geschaffen wurde, zusammenhängt. So müßte man alles, was man empfinden und fühlen könnte in dem Selbständigwerden, das Priesterwerden jedes einzelnen in diesem Volke, nachfühlen können, wenn man überhaupt dieses Zehn-Gebote-Werk verstehen will. Es ist heute noch gar nicht die Zeit, dieses so konkret zu fühlen, wie es die Glieder jenes Volkes haben empfinden können. Daher wird heute auch alles mögliche hineinübersetzt, was im Lexikon steht, was aber nicht dem Geist der Sache entspricht. ...Daß Völker sich aus dem Geiste heraus bilden, dafür ist das gerade der beste Beweis. Es gibt kaum ein so großes Vorurteil, als wenn gesagt wird: Ja, zur Zeit des Moses war das ... Volk noch ein wanderndes Beduinenvolk; was hätte es da für einen Sinn gehabt, diesem Volk die Zehn Gebote zu geben! - Es hat einen Sinn gehabt, solche Gesetze dem ... Volke zu geben, damit eben der Ich-Impuls mit aller Kraft dem Volke eingeprägt werden konnte. Es hat sie bekommen, weil es durch diese Gebote seinem äußeren Leben eine ganz neue Form geben sollte, weil vom Geiste aus ein ganz neues Leben geschaffen werden sollte.

 

So haben in der Tat die Zehn Gebote fortgewirkt, .... Sie finden daher, daß der Ich-Impuls ein anderer wird durch das Mysterium von Golgatha, als er es in den Zeiten des Moses war. Sie sagten sich: der Ich-Impuls ist durchtränkt worden durch das Zehn-Gebote-Werk; dadurch wurde das Volk stark, wenn es die Zehn Gebote befolgte. Jetzt ist ein anderes da. jetzt ist die Gestalt da, die dem Mysterium von Golgatha zugrunde liegt. Jetzt kann dieses Ich hinschauen auf das, was so verborgen durch die Zeiten gegangen ist, es kann hinblicken auf das Größte, was es sich erwerben kann, was es stark und kräftig macht durch die Nachfolge dessen) der auf Golgatha gelitten hat und der das größte Vorbild des werdenden Menschen in der Zukunft ist. Dadurch trat der Christus für die, welche das Christentum wirklich verstanden, an die Stelle jener Impulse, die vorbereitend in dem Alten Testament gewirkt haben.

Steiner (2):

Und weiter heißt:

Das achte Gebot: Setze den Wert deines Mitmenschen nicht herab, indem du Unwahres von ihm sagst. - Nicht allein durch Taten soll man das Ich des anderen nicht in seinem Rechte schädigen und beeinträchtigen, sondern man soll auch nicht einmal mit einem gesprochenen Wort sein Ich in seinem Werte herabsetzen. Man soll nichts Unwahres über ein anderes Ich sagen. Wer etwas Unwahres über ein anderes Ich sagt, der anerkennt nicht, daß das andere Ich dasselbe ist wie das eigene Ich. So geht es systematisch fort in diesenZehn Geboten. Es wird hingewiesen auf dasjenige, was sich noch schädigend äußern kann im Zusammenleben von Ich und Ich. Die Tat greift; unmittelbar schädigend in die Sphäre des anderen Ich ein, das Wort schon mehr geheim. Aber, willst du im Ernste das Ich des anderen anerkennen, dann darfst du auch nicht durch deine Lüste, deine Begierde eingreifen in die Sphäre deines Nächsten. Nicht nur dadurch, daß du ihn bestiehlst, sondern schon dadurch, daß du et* was haben möchtest, was er hat, greifst du in die Ich-Sphäre des anderen ein. Du erkennst die volle Gleichschätzung des anderen Ich an dadurch, daß du dich selbst nicht gelüsten läßt nach dem, was deines Nächsten ist. Daher die beiden letzten Gebote:

Neuntes Gebot: Blicke nicht mißgönnend auf das, was dein Mitmensch besitzt als Eigentum.

Zehntes Gebot: Blicke nicht mißgönnend auf das Weib deines Mitmenschen und auch nicht auf die Gehilfen und die anderen Wesen, durch die er sein Fortkommen findet.

Erst dadurch können wir in gesunder Weise das Verhältnis von Mensch zu Mensch finden, daß wir den anderen Menschen nicht mißgönnen, was ihnen zu eigen ist. So wird der Mensch neben den Menschen gestellt, daß er in jedem Ich ein Nachbild des göttlichen Ich achte und ehre. Damit war das Wesen der einzelnen Iche untereinander geregelt. Das war einer der größten geistigen Einschläge, die in die Menschheit hereingekommen sind. Noch war das nicht ausgesprochen, was durch den Christus kommen sollte, dasjenige was in dem Worte liegt, daß jeder in sich den Zusammenhang mit dem Vater finden kann. «Niemand kommt zum Vater denn durch mich.» Es war in dieser Gesetzgebung noch sozusagen der Impuls gegeben für das gemeinsame Ich, das durch die Generationen floß. Aber zugleich war gegeben die Vorherverkündigung, daß das Ich nicht nur ein Nachbild des Göttlichen ist, sondern daß Gott selber lebendige Wesenheit in diesem Ich ist. Das Ich ist der Substanz und Wesenheit nach identisch mit seinem Vater.- «Ich und der Vater sind eins.»

>>... Immer wird darauf hingewiesen, daß die Leiber gedeihen, wenn das Göttliche richtig erfaßt wird. Es wird die Anleitung gegeben, das Göttliche so zu verehren, daß auch die äußeren Dinge auf dem physischen Plan gedeihen. In der richtigen Weise wird darauf hingewiesen, daß eine gerade, eine gesunde Entwickelung stattfinden muß, damit die äußeren sozialen Zusammenhänge gedeihen.

Durch die Sendung des Moses wird geregelt, daß das Göttliche im Inneren des Menschenwesens bewahrt bleibt,<<

(1) Rudolf Steiner: lecture given in Berlin, November 16, 1908. It is included in Geisteswissenschaftliche Menschenkunde (#107 in the Bibliographic Survey, 1961

(2) Rudolf Steiner: DIE ZEHN GEBOTE Stuttgart, 14. Dezember 1908